Lippenbekenntnis zur Miliz

Sehr geehrte Damen und Herren!

Im Interview von Redakteur Wilfried Rombold, Steiermark-Ressort der Kleinen Zeitung, mit Verteidigungsministerin Klaudia Tanner vom 28. Juli 2022, wurden drängende Fragen gestellt, die so lange nicht mehr von der Tagesordnung kommen dürfen, bis sie für unser Land zufriedenstellend beantwortet und die dahinterliegenden gravierenden Probleme endlich gelöst sind.

Die wertlosen Lippenbekenntnisse zur Miliz sind schon deshalb unerträglich, weil sie Handlungsabsichten suggerieren, die es tatsächlich nicht gibt und im internationalen Umfeld nicht einmal belächelt werden.

Es existiert keine Bereitschaft, sich für die Wiederherstellung der vollen Übungs-und Einsatzfähigkeit der Miliz durch die neuerliche Verlängerung des Präsenzdienstes auf acht Monate politisch einzusetzen. Bequemerweise berufen sich die Verantwortlichen dabei auf die jeweils anderen politischen Parteien, die allesamt keinen Willen haben, diesen Schritt zur vollen Herstellung der personellen Einsatzbereitschaft zu setzen und der Öffentlichkeit auch die unabdingbare Notwendigkeit zu erklären.

Im Bericht der Parlamentarischen Bundesheerkommission für 2021 wird klar festgestellt, dass der Bedarf an Milizoffizieren derzeit nur zu 55%, der Bedarf an Milizunteroffizieren gar nur mehr zu 40% gedeckt werden kann. In der Zeitschrift News vom 22. Mai 2022 bezeichnet Brigadier Mag. Stefan Thaller, der für die Miliz im BMLV zuständige Offizier, den Rückgang der Milizunteroffiziere von 7.000 auf nur mehr 4.000 und den Rückgang bei den Milizoffizieren von 3.000 auf nur mehr 2.000 als „dramatisch“. Weiters wird darauf hingewiesen, dass kein einziges der wenigen verbliebenen Milizbataillone mit Normalbesetzung üben kann, weil es schlicht zu wenig Übungspflichtige gibt, ein Großteil der Soldaten sind nicht übungspflichtige „Papiersoldaten“, die durch die endlose Serie an Assistenzeinsätzen über keine ausreichende militärische Ausbildung verfügen.

Die OG Steiermark fordert, vor dem Hintergrund der dramatischen personellen Lage der Milizverbände und den unbestreitbaren geopolitischen Konsequenzen des anhaltenden russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, unverändert die Verlängerung des Präsenzdienstes auf acht Monate und die Wiedereinführung der verpflichtenden Milizübungen zur Wiedererlangung der vollen personellen Einsatzbereitschaft der Miliz. Im Interview mit der Kleinen Zeitung hat Ministerin Tanner als ihren Zugang erklärt, das zu tun, was sie in ihrem eigenen Bereich anordnen kann. Dazu zählt mit Sicherheit die schlichte Anwendung der Bestimmungen des § 21 Abs. 3 des Wehrgesetzes, wonach bei einem Mangel an freiwilligen übungspflichtigen Milizsoldaten jährlich 12% jener Soldaten, die in einem Kalenderjahr ihren Grundwehrdienst geleistet haben und für eine militärische Verwendung geeignet sind, zur Leistung von Milizübungen per Auswahlbescheid der Ergänzungsbehörden verpflichtet werden können. Das ist geltendes Wehrrecht und Verteidigungsministerin Tanner braucht dazu keinen politischen Partner, sondern nur den Mut, diese wehrgesetzliche Bestimmung auch anzuwenden bzw. ihre Anwendung freizugeben.

Ergänzend wird durch die OG Steiermark darauf hingewiesen, dass die im Interview durch Tanner erwähnten, drei Bereiche, in denen jedenfalls zu investieren sein wird, lediglich eine Teilmenge der breiten Palette jahrzehntelang bewusst vernachlässigter Bereiche der militärischen Landesverteidigung darstellen:
Die Republik Österreich und die Steiermark verfügen aktuell über keine Luftverteidigung zur Abwehr von Luftangriffen, die Steiermark ist im Fall einer militärischen Landesverteidigung sowohl in der zweiten als auch in der dritten Dimension praktisch schutzlos. Es gibt kein Pionierbataillon, kein Jagdpanzerverband, es hat keine Sperreinheiten, keine gepanzerte Kampftruppe und keine einsatzbereite Sanitätstruppe. Unserer Infanterie fehlen zeitgemäße Lenkwaffen zur Fliegerabwehr ebenso, wie eine wirksame Panzerabwehr. Alles dringende Notwendigkeiten, die unverzüglich wieder hergestellt werden müssen und den von der Ministerin erwähnten langjährigen Investitionsplan erfordern.

Wenn parlamentarische Mandatare sich ihrer Verantwortung mit dem gebetsmühlenartig vorgetragenen Hinweis auf angeblich nicht vorhandene Konzepte des Generalstabes entledigen wollen, liegt der Verdacht nahe, dass die öffentlich zugänglichen Konzepte nicht nur nicht sinnerfassend gelesen wurden, sondern dass sie schlicht und ergreifend auch ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben.

Mag. Claudius Bubner, MSc., Bgdr
Präsident OG Steiermark,

Mag. Heinrich Winkelmayer, GenMjr a.D.

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