Der russische Angriff auf die Ukraine verlangt die Stärkung der militärischen Landesverteidigung und der anderen Teilbereiche der Umfassenden Landesverteidigung.

Mit dem völkerrechtswidrigen russischen Angriff auf die Ukraine ist nunmehr klar, dass die 77jährige Friedensperiode in Europa endgültig zu Ende ist. Zahlreiche europäische Politiker und Sicherheitsexperten sprechen von einer Zeitenwende in der Sicherheits-und Verteidigungspolitik und betrachten eine rasche massive Stärkung der eigenen Verteidigungsfähigkeit und der NATO als zwingende Konsequenz aus dem russischen Angriff auf die Ukraine. Besonders signifikant ist dabei die Ankündigung des deutschen Bundeskanzlers Scholz, noch im laufenden Jahr 100 Milliarden Euro zur raschen Hebung der Verteidigungsfähigkeit der deutschen Bundeswehr bereitzustellen. Der ehemalige österreichische Bundeskanzler Franz VRANITZKY verlangt „ein Bundesheer, dass man in Europa herzeigen könne“.

Das von Experten des BMLV erarbeitete „Risikobild 2030“, das auch einen Konflikt zwischen Russland und Europa als möglich erachtet und welches in Fragmenten in der Wiener Zeitung vom 18. Dezember 2021 veröffentlicht wurde, rechnet damit, dass sich die Sicherheitslage für Österreich „in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich verschlechtern“ wird und dass der Einsatz des Bundesheeres im Inland zur militärischen Landesverteidigung „im Vergleich zu den letzten beiden Jahrzehnten wahrscheinlicher“ werde. Ein Angriff von Streitkräften eines Staates gegen Österreich wird mit der Wahrscheinlichkeit zwar derzeit als „gering“ eingeschätzt. Der Bericht hält aber fest: „Mit den bisherigen finanziellen und personellen Ressourcen ist das ÖBH nur zu einer ersten, aber nicht nachhaltigen Abwehr konventioneller Angriffe befähigt.“

Wie schnell sich eine konventionelle Bedrohung aber entwickeln kann beweist die aktuelle Lage: Im Falle der Stationierung russischer Truppen in Belarus könnte die lediglich rund 100 km breite Landbrücke zwischen der weißrussischen Westgrenze und der russischen Exklave Kaliningrad in den russischen Fokus rücken und bei einem russischen Vorstoß die baltischen Staaten schnell auf dem Landweg von Europa abschneiden. Ein militärischer russischer Erfolg im Raum Odessa führt zu einer unmittelbaren Bedrohung für die Republik Moldau mit ihrem transnistrischen Separatistengebiet ähnlich wie im ukrainischen Fall.

Die steirische Offiziersgesellschaft begrüßt ausdrücklich die Ankündigung von Bundeskanzler Nehammer zur Stärkung des Bundesheeres und bestätigt seine Feststellung vom 26. Februar, wonach die Umfassende Landesverteidigung in den vergangenen Jahrzehnten massiv gelitten hat.  Die steirische Offiziersgesellschaft unterstreicht die Einschätzung, dass auch die Fähigkeit des Bundesheeres zur militärischen Landesverteidigung als seine verfassungsmäßige Kernaufgabe in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur massiv gelitten hat, sondern in wesentlichen Teilbereichen bereits vollständig verloren gegangen ist.

Im Gegensatz zur ebenfalls immerwährend neutralen Schweiz, ein Nachbar, der sich geopolitisch in einer wesentlich günstigeren Lage als unsere Heimat befindet, verfügt Österreich aktuell über keine Fähigkeit zur Luftverteidigung, es gibt nur mehr ein einziges Fliegerabwehrbataillon mit veralteten Waffensystemen. Das Bundesheer verfügt auch über keine nennenswerte Sanitätstruppe mehr, ein unverzichtbares Element einer glaubwürdigen Verteidigungsfähigkeit. Die wenigen schweren Waffensysteme der gepanzerten Truppe und der Infanterie sind veraltet und müssten dringend modernisiert werden, im Gegenteil dazu wird aber von der politischen Führung im BMLV an der im Regierungsprogramm niedergeschriebenen weiteren Reduzierung der schweren Waffengattungen festgehalten.

Die wenigen nicht aufgelösten Einheiten und Verbände der Infanterie der Miliz leiden an Überalterung, da junge Soldaten wegen der endlosen Serie an Assistenzeinsätzen nicht in ausreichender Anzahl ausgebildet werden können, Milizübungen mit voller Personalstärke können nicht mehr durchgeführt werden, da die Übungspflicht für die Mannschaften im Zuge der unbegründeten Verkürzung des Präsenzdienstes im Jahr 2006 um zwei Monate abgeschafft wurde und vorhandene wehrgesetzliche Bestimmungen zur laufenden Auffüllung und Verjüngung der Personalstände nicht angewendet werden dürfen.

Auf der Grundlage des STARLINGER-Berichts „Unser Heer 2030“ wird von der steirischen Offiziersgesellschaft zur umgehenden Rekonstruktion der Fähigkeit des Bundesheeres zur militärischen Landesverteidigung gefordert:

  • Die sofortige Erhöhung des Verteidigungsbudgets auf 3,8 Mrd € und dessen kontinuierliche Anpassung zur Erreichung des 1%igen Anteils am jährlichen BIP auf 5,02 Mrd € bis zum Jahr 2030
  • Der rasche Aufbau einer funktionsfähigen Luftverteidigung, ausgestattet mit Lenkwaffen und Fliegerabwehrkanonen sowie schultergestützten Fliegerabwehrlenkwaffen für die Soldaten
  • Die rasche Rekonstruktion einer einsatzbereiten Sanitätstruppe in Form von Feldlazaretten und Feldambulanzen der Miliz
  • Die vollständige Erhaltung und rasche Modernisierung der wenigen noch vorhandenen schweren Waffensysteme der mechanisierten Kampftruppen und der Artillerie sowie die Vollausstattung der Infanterie mit modernen Panzerabwehrlenkwaffen und geschützter Mobilität
  • Der planmäßige und turnusmäßige Einsatz von Infanteriekompanien der Miliz für den Assistenzeinsatz zur Grenzüberwachung gegen illegale Einwanderung solange dieser Assistenzeinsatz noch andauert zwecks Gewährleistung von ausreichender militärischer Ausbildungszeit für die Grundwehrdiener
  • Die Wiedereinführung der regelmäßigen Übungspflicht für die Einheiten und Verbände der Miliz einschließlich der Aufhebung des Verbots zur verpflichtenden Heranziehung von Wehrpflichtigen zu Milizübungen
  • Die Organisation des außerordentlichen Zivildienstes nach dem Modell der Miliz zur Bildung von Sanitätshilfseinheiten und logistischen Unterstützungseinheiten zur Stärkung der Zivilen Landesverteidigung und Entlastung des Bundesheeres von Assistenzaufgaben
  • Die Rekonstruktion der Lagerhaltung im Bereich kritischer Energieträger und kritischer Rohstoffe im Zuge einer Wiederbelebung der Wirtschaftlichen Landesverteidigung
  • Die umfassende Rekonstruktion der Geistigen Landesverteidigung der ULV zur Hebung der Verteidigungsbereitschaft der österreichischen Bevölkerung
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